In einer Recherche konnte die AWF zurückverfolgen, dass die Tiere als Kälber ursprünglich aus norddeutschen Milchbetrieben kamen. Über Viehhandlungen gelangten sie in die Niederlande und von dort nach Spanien in die Mast. Monate später wurden sie aus Spanien in den Libanon exportiert und dort im Juli 2022 geschlachtet. In seinem Filmbeitrag „Qualvoller Tod deutscher Rinder im Libanon“, der in der SWR-Mediathek zu sehen ist, geht Edgar Verheyen auf den Fall dieser neun Kälber ein und zeigt Aufnahmen von ihrer Schlachtung.
„Die Szenen sind nur schwer zu ertragen. Es ist grausam und unmoralisch, Tiere diesem Schicksal auszusetzen. Seit mehr als zehn Jahren belegen wir den quälerischen Umgang und dennoch landen deutsche Tiere immer wieder in Ländern, in denen sie kein Gesetz schützt. Am Hinterbein werden sie mit einem Seil hochgezogen, um sie zu Fall zu bringen. Dann folgt der Kehlenschnitt. All das bei vollem Bewusstsein, vor ihren Artgenossen am blutverschmierten Boden“, so Gerit Weidinger, Projektleiterin bei Animals International.
Kälber als Abfallprodukte der Milchindustrie
Die Milchproduktion ist der wichtigste Zweig der deutschen Landwirtschaft. 3,8 Millionen Kühe machen Deutschland zum größten Milcherzeuger der EU. Damit die Milchleistung einer Kuh hochbleibt, bekommt sie jedes Jahr ein Kalb. 70 Prozent dieser Kälber sind in der Milchindustrie nutzlos und werden innerhalb der ersten drei Lebenswochen verkauft. In anderen europäischen Ländern wie den Niederlanden, Italien und Spanien werden sie gemästet und geschlachtet oder von dort exportiert.
Der Standortvorteil durch die Lage am Mittelmeer und geringe Produktions- und Futterkosten haben Spanien zum europäischen Hauptexporteur lebender Tiere gemacht. In den letzten 15 Jahren stieg die Zahl der Exporte aus Spanien in Drittländer um mehr als 45 Prozent. Um die Nachfrage zu decken, importiert Spanien immer mehr Kälber aus anderen EU-Ländern. Die meisten dieser Tiere kommen aus Deutschland, Frankreich und Irland. Innerhalb Europas kommt die Hälfte der Kälberexporte aus Deutschland, jährlich etwa eine Million.
Problem „Sammelstellenhopping“
Dass Tiere aus Deutschland zum Schlachten in den Nahen Osten und nach Nordafrika gelangen, ist durch Umwegtransporte über Spanien möglich. Die wenige Wochen alten Kälber werden zu Sammelstellen in benachbarten Ländern transportiert, wo sich ihre Spur in der Regel verliert.
Den Weg deutscher Tiere nachzuvollziehen wäre nur möglich mit einer EU-weit vernetzten Datenbank, die den gesamten Lebensweg eines Tieres dokumentiert.
Iris Baumgärtner: „Es gibt kein Informationssystem zwischen den EU-Ländern, über das die Behörden im Herkunftsland den Weg eines Tieres anhand der Ohrmarke verfolgen können. So entstehen Schlupflöcher und Umwegtransporte, über die Tiere auf der Schlachtbank in Drittländern landen.“
Appell von AWF und AI an Bundesminister Özdemir: Vollzugsmöglichkeiten stärken
Ende Oktober kündigte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir an, aus Tierschutzgründen die Veterinärbescheinigungen für „Zucht“rinderexporte zum Juli 2023 zurückzuziehen. Damit setzt er ein deutliches und wichtiges Signal an die EU-Kommission, die grausamen Exporte in Drittländer zu stoppen. Eine Lösung für die Kälber aus der Milchwirtschaft ist das nicht. Deutschland muss sich auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass die Schlupflöcher der Tierexportbranche geschlossen werden. Deutsche Tiere dürfen nicht unter dem Deckmantel von EU-Binnenmarkttransporten in Schlachthöfen außerhalb der EU enden.
Weitere Informationen
Filmbeitrag von Edgar Verheyen: Report Mainz vom 15.11.2022
Pressemitteilung des BMEL zu Veterinärbescheinigungen Ende Oktober https://www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2022/148-tiertransporte.html
Petition „Tierexporte aus Deutschland in Drittstaaten“: https://www.animal-welfare-foundation.org/tiertransporte-exportstopp-deutschland
Kontakt
Animals International: www.animalsinternational.org Gerit Weidinger, Projektleiterin: gerit.weidinger@animalsinternational.org
Animal Welfare Foundation: www.animal-welfare-foundation.org. Iris Baumgärtner, Projektleiterin: i.baumgaertner@awf-tsb.org